
Das Unterrichtsgespräch
Björn Nölte, Studienseminar Potsdam
Was muss der Lehrer im Gespräch leisten?
- den Inhalt präsent haben
- das Gespräch mit sinnvollen Impulsen in Gang halten und auf ein Ziel hinführen
- möglichst viele Schüler beteiligen
- auf die Antworten angemessen reagieren und die Beiträge im Kopf haben
- in Sekundenschnelle flexibel reagieren
- bei Störungen intervenieren
- die zur Verfügung stehende Zeit im Blick behalten
Daher: Die wichtigsten Fragen zum geplanten Unterrichtsgespräch klären
Quelle
Th. Unruh/S. Petersen: Guter Unterricht. Trainingsmodule. Buxtehude 2011, S. 37
Aus welchen Gründen beteiligen oder enthalten sich Schüler bei Unterrichtsgesprächen?
- Interesse/Desinteresse am Thema
- Leistungsdruck
- soziale Stellung in der Klasse
- Wahrung bzw. Entwicklung der Ich-Identität
Gesprächsführung im Unterricht
Grundsätzliches
- Vorbild sein: Klarheit, Wertschätzung, Prägnanz
- eigene "Lieblingswörter" vermeiden (beispielsweise, sozusagen, quasi)
- flexible Grundhaltung
- keine pauschalen Rückmeldungen, sondern individuell & wertschätzend
- Leitimpulse vorher notieren
Fragetechnik
- Problem "Osterhasenpädagogik": Schüler suchen in Fragen des Lehrers versteckte Aufgaben.
Beispiel: "Wer weiß, welchen Tag wir heute haben?"
Schüler A: "Es geht heute im Unterricht also um irgendeinen Feiertag. Und wir sollen erraten, um welchen!"
Schüler B: "Oje - habe ich etwa vergessen, dass heute ein Test geschrieben wird?"
Daher: Nur echte Fragen stellen - ansonsten eher Aufforderungen formulieren. ("Nennt mir bitte Flüsse in Europa." statt "Kennt ihr europäische Flüsse?")
- Offene und geschlossene Fragen sinnvoll einsetzen. Oftmals leiden Unterrichtsgespräche an unnötig engen, geschlossenen Fragen - und werden dann durch die Kleinschrittigkeit zäh. Manchmal ist Kleinschrittigkeit auch didaktisch sinnvoll - aber ist das Unterrichtsgespräch dann die sinnvolle Methode?
weiterlesen?
Frank Nix: Referendariat kompakt für die Sekundarstufe. Berlin: Cornelsen 2013, S. 68-71
Nonverbale Steuerung
Vieles lässt sich auch nonverbal steuern, professionelle Lehrer bedienen sich auch hier eines umfangreichen Repertoires, z. B.:
- Gesprächsthema nonverbal einbringen
- Beiträge erbitten
- Reihenfolge der Meldungen registrieren
- das Wort erteilen
- Beiträge weiterführen lassen
- Beiträge positiv bewerten
- Beiträge negativ bewerten
- Beiträge anzweifeln
- Beiträge hervorheben
- Beiträge zur Diskussion stellen
- Auf Gegensätze aufmerksam machen
- die erforderliche soziale Ordnung wieder herstellen
- auf das Gesprächsthema hinweisen
- in Phasen des Schweigens zum Nachdenken animieren
Was mache ich bei völlig unerwarteten Schülerbeiträgen?
Nach dem eigenen Impuls WARTEN!
Nach antrainierten 3 Sekunden Wartezeit des Lehrers nach eigenen Impulsen (über einen längeren Zeitraum) kommt es zu folgenden Veränderungen (Studie von Rowe 1992, zitiert nach Grunder, s. unten, S. 161):
Schüler:
- Antworten werden länger.
- verstärkt eigene logische Argumentationen
- kreativere, selbständigere Antworten
- stellen häufiger Fragen
- kommunizieren mehr miteinander
- geben mehr richtige Antworten
- weniger Disziplinprobleme
- verstärkte Beteiligung von Lernschwächeren
- Das Zutrauen in die eigenen Antworten nimmt zu.
Lehrer:
- produzieren weniger Fehler.
- stellen weniger Fragen.
- entwickeln eine höhere Erwartungshaltung gegenüber allen Schülern.
- werden zufriedener.
- fragen anspruchsvoller.
Sitzordnung der Funktion des Unterrichts anpassen!
Visualisierung - was sollte wie dargestellt werden?
Die häufigsten "Gerüste" für Tafelbilder bei entwickelnden Unterrichtsgesprächen
Schema | Diagramm
Ganzes - Teile | Mindmap
Fragestellung - Hypothesen - Lösung
Modell für Unterrichtsgespräche von Thomas Unruh
- Das Thema oder die Fragestellung wird schriftlich fixiert.
- Alle Schüler reden zunächst in einem "Murmelgespräch" zu zweit über das Thema.
- Unterrichtsgespräch im Plenum. Die Schüler nehmen sich gegenseitig dran. Der Lehrer macht sich nur Notizen, er kommentiert nicht, fragt nicht, wiederholt nicht.
- Anschließend fasst der Lehrer die Beiträge der Schüler in einem kurzen Resümee zusammen - ohne Wertung.
- Erst darauf folgend klärt er, korrigiert ggf., Aus den Schülerbeiträgen formuliert er das nächste (neue) Thema zur Vertiefung oder Weiterführung. Die nächste Runde beginnt wieder bei Schritt 2.
Dynamisierung von Unterrichtsgesprächen
Divergent oder konvergent?
Als planender Lehrer muss ich mir im Klaren darüber sein, welcher Art das Gespräch beschaffen ist:
DIVERGENT
- Was fühlte und dachte vermutlich Thomas Morus kurz vor seiner Hinrichtung?
- In welcher Form sollten Umweltsünder zur Verantwortung gezogen werden?
- Wie gestalten wir unsere Klassenfahrt?
- Welche Verwendungsmöglichkeiten gibt es für einen 3D-Drucker?
KONVERGENT
- Lösungsweg besprechen
- einzelne Schritte zur Herstellung eines Werkstücks besprechen
- Entstehung eines Gesetzes im Gespräch klären
- einen Entwicklungsvorgang besprechen
Wer sich vertieft mit ca. 30 verschiedenen Formen des Unterrichtsgesprächs beschäftigen möchte:
Strukturierte Alternativen zum Unterrichtsgespräch zur Anbahnung von kommunikativer Kompetenz
4 Übersichten zu Unterrichtsgesprächen von Referendaren
Literaturhinweise
teilweise älteren Datums, aber trotzdem sehr brauchbar:
- Becker, Georg: Durchführung von Unterricht. Weinheim 2003, S. 182-228
- Bittner, Stefan: Das Unterrichtsgespräch. Bad Heilbrunn 2006
- von Brandt, Tilman: Deutsch unterrichten. Einführung in die Planung, Durchführung und Auswertung in den Sekundarstufen. Seelze 2010, S. 141-149
- Grunder, Hans-Ulrich u. a.: Unterricht. Verstehen - Planen - Gestalten - Auswerten. 2. Auflage. Baltmannsweiler 2010, S. 158-175
- Gudjons, Herbert: Frontalunterricht - neu entdeckt. Integration in offene Unterrichtsformen. 3. Auflage. Bad Heilbrunn 2011, S. 192-205
- Mattes, Wolfgang: Methoden für den Unterricht. Braunschweig 2011, S. 90-99
- Nix, Frank: Referendariat kompakt für die Sekundarstufe. Berlin 2013, S. 56-70
- Unruh, Thomas: Guter Unterricht. Praxishandbuch. Buxtehude 2011, S. 86-96
- Weidenmann, Bernd: Gesprächs- und Vortragstechnik. Für alle Trainer, Lehrer, Kursleiter und Dozenten. 4. Auflage. Weinheim 2006
- http://guterunterricht.de/GU/Unterrichtsgesprache.html
weitere Übersichten
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